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Der weisse Daunenmantel

Private Homepage von Bernd Schwerdt, Hamburg                  

Der weiße Daunenmantel

Es ist Winter. Um die 0 Grad und feuchtkalt. Die Schneeflocken, die auf den Asphalt fallen, wissen nicht recht, ob sie nun Schneeflocken oder Regentropfen sind.
Ich sitze auf dem unbequemen Besucherstuhl in einem Büro der Polizei. Der Raum ist lediglich mit einem Aktenschrank, einem Schreibtisch, auf dem der Monitor steht und zwei Stühlen eingerichtet. Der Fussboden ist aus Linoleum. An der Wand hängt ein Kunstkalender mit Seerosen von Monet, die im Neonlicht bläulich wirken. Auf der Fensterbank steht ein Blumentopf mit quietschgelben Plastikblumen. Vor mir an seinem Schreibtisch sitzt Inspektor Rosengren.
In unser Haus in Schweden ist eingebrochen worden. Wir kamen zwei Tage vor Heiligabend spät abends an. "Vielleicht der Dachs", dachte ich, als ich in der Küche die offenen Schranktüren und die Kochutensilien verstreut auf dem Boden liegen sah. Wir haben im Winter meist einen Dachs unter dem Haus, der dort seinen Bau hat und Winterschlaf hält. Als ich dann die herausgerissenen Schubladen im Wohnzimmer und im Schlafzimmer im Obergeschoss sah, wurde mir allmählich klar, dass das kein Dachs gewesen sein konnte. Die Musikanlage, der Kaffeeautomat und unsere Schnaps- und Weinvorräte, Werkzeug und andere Dinge waren weg. Ich klopfte bei der Nachbarin ein paar Hundert Meter weiter und bat sie, kurz mitzukommen und sich die Überraschung mit anzusehen.

Jetzt sitze ich also auf dem Besucherstuhl am Schreibtisch von Inspektor Rosengren. Mir fällt auf, dass es in dem Raum nach nichts duftet. Nicht einmal Rosengren. Er ist Mitte 40, trägt die Haare kurzgeschnitten und trotz der Kälte draussen hat er nur ein kurzärmliges Polohemd seines Golf-Clubs an. Er startet seinen Computer, tippt mit zwei Fingern und einem kräftigen Schlag mit dem Zeigefinger auf die Enter-Taste sein Passwort ein.
“Also”, sagt Inspektor Rosengren, “wir haben bisher keine Spur von den Tätern und auch keine Hinweise bekommen, die wir mit dem Einbruch bei Euch in Verbindung bringen können. Vermutlich waren das Drogenabhängige” meint Rosengren, “nachdem die sich auf die Dinge konzentriert haben, die sich schnell zu Geld machen lassen. Wir werden jetzt erst einmal die Aufstellung über die gestohlenen Gegenstände aufnehmen.”
Er sucht jetzt auf dem Computer, wie er sagt, das Formular CB4 Strich 1 für die Versicherung.
 
Ulla, meine Frau, wollte nicht mitkommen, sondern bummeln gehen und mich später im Café treffen.
Jetzt hat der Inspektor das Formular gefunden. „Ich starte nur schnell den Drucker im Flur, der braucht einige Zeit, um warm zu werden“, murmelt er beim Hinausgehen.

Inspektor Rosengren tippt meine handschriftliche Aufstellung ab, in der ich die gestohlenen Gegenstände mit Wert und Datum aufgelistet habe. Nur selten stellt er eine Rückfrage. Er klappert mit zwei Fingern auf den Tasten und schliesst die Eingaben jeweils mit einem energischen Klick ab. Jetzt hält er inne, kratzt sich an der Stirn und fragt: „Und welche Farbe hat der Daunenmantel, den Sie hier mit circa 300 Euro angeben?“
"Weiss" sage ich, „den haben wir erst vor 2 Jahren bei der Firma Kiessling in Lörrach gekauft.“ Der Inspektor tippt mühsam weiter und ich blicke aus dem Fenster auf den grauen Innenhof. Es regnet jetzt.
Plötzlich sehe ich direkt vor dem Fenster von Inspektor Rosengren Ulla auf- und abgehen, in einem leuchtendweissen Daunenmantel der Firma Kiessling in Lörrach im Wert von circa 300,-- Euro.


BS 08/2008