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Ich sag' mal . . .
Redensarten: Es ist einfach alles nicht so einfach
Von Hermann Schreiber

Ein Wort macht Karriere, weil es so falsch ist - weil es daran mitwirkt, das Leben so zu beschreiben, wie es nicht ist. Das Wort heißt: einfach.

"Einfach kaufen und genießen", steht an einer Salatbar, "einfach mieten" an der Fahrerkabine eines Leihlastwagens. An allen Ecken und Enden des täglichen Lebens fällt dieses Wort über uns her: "Einfach per Mausklick bestellen!" - "Geben Sie einfach Ihre E-Mail-Adresse ein!" - "Rufen Sie uns einfach an!" Alles, will das Wort suggerieren, ist ganz einfach, wenn man konsumiert.

Das ist es eben nicht. Wer "einfach" anruft, landet in der Warteschleife und dann vielleicht bei einer Computeransage, kostenpflichtig natürlich. Wer "einfach" per Mausklick bestellt, bringt allmählich den Straßenverkehr zum Erliegen (weil Lieferfahrer genau da stehenbleiben, wo sie liefern müssen, auch wenn keiner an ihnen vorbeikommt).

Nein, das Leben ist nicht einfach, und die globalisierte High-Tech-Welt wird immer komplizierter. Es mag ja eine Menge Mittzwanziger (und auch ein paar Ältere) geben, die problemlos Videorekorder programmieren, alle Gebrauchsanweisungen verstehen, sämtliche Funktionen ihres Computers nutzen und vielleicht sogar wissen, was mit DVB-H, DMB, IPTV, HD-DVD und DVB-T gemeint ist. Aber einfach ist das alles nicht.

Das Wort einfach ist zunächst ein Adjektiv. "Laß uns die Götter bitten um ein einfach Herz, / Gar leicht erträgt sich dann ein einfach Los!" heißt es bei Grillparzer im "Goldenen Vlies". Von schlicht und einfältig über simpel, kinderleicht bis zum Gegenteil von doppelt - das alles kann "einfach" bedeuten. Auch als Adverb ist es gebräuchlich, dann meistens verstärkend: "Er ist einfach davongelaufen." - "Ich verstehe dich einfach nicht." - "Das ist doch einfach nicht zu fassen!"

Aber Karriere gemacht hat das Wort jetzt als billiger Jakob der Werbebranche, als Animateur der Generation Shopping - und als Vehikel der Vortäuschung falscher Tatsachen.

Es gibt ein weitverbreitetes Bedürfnis nach Erklärungen, eben weil das Leben nicht einfach ist. Es gibt den dringenden Wunsch: "Erklär mir die Welt!" Wer das versucht, dem gelingt womöglich ein Bestseller - wie Frank Schätzing oder Daniel Kehlmann. Die Inflation des Wortes einfach aber erklärt überhaupt nichts. Sie ist einfach nur verlogen.

Oder sollen wir der deutschen Nationalmannschaft jetzt "einfach gewinnen!" zurufen?


Artikel im Hamburger Abendblatt von Hermann Schreiber 24/25.6.2006


P.S.
Ich habe kürzlich eine Postkarte gesehen, auf der stand: “Einfach ‘mal Fresse halten”.

 

Einfachheit ist das Resultat der Reife.
Friedrich Schiller